In Afghanistan wird gekämpft, aber das Zeitalter des Vietnamkriegs ist vorbei. Wie das Kino heute vom Krieg erzählt
(...) So steht die Frage, wie heute, wo der Krieg genauso wie der Verteidigungsministerbesuch gut ausgeleuchtet ins Arsenal der Fernsehnachrichten gehört, vom Krieg filmisch erzählt werden kann. Eine berückende Variante stellt Philip Scheffner mit Der Tag des Spatzen im Forum vor. Scheffner, der bereits vor zwei Jahren mit The Halfmoon Files für Aufmerksamkeit sorgte, gelingt ein erhellender Essay-Film über Vogelbeobachtung und Kriegsführung.
Den Ausgangspunkt bilden zwei Zeitungstexte am gleichen Tag. Der eine ist eine Meldung über die Bundeswehr aus Afghanistan, der andere, dem zuerst das Augenmerk gilt, der Bericht vom Tod eines Spatzen in Leeuwarden, Niederlande. Der gewaltsame Tod des Vogels wird weltumspannend breaking news, was dazu führt, dass für Nachfragen irgendwann Regierungsstellen zuständig sind, die den Leichnam des Vogels wie eine Staatsaffäre behandeln. Sterben musste der Spatz, weil er in die wie ein Hochsicherheitstrakt gehütete Halle der Unterhaltungssendung Domino Day eingedrungen war, in der Tausende von Dominosteinen darauf warten, telegen umgeworfen zu werden.
Das Motiv der Kettenreaktion überträgt Scheffner auf seine Recherche, die Ornithologie und Militäreinsätze in einen Zusammenhang bringt. So ist zu erfahren, dass die Bundeswehr feindliches Gebiet zuerst auf mögliche Vogelpopulationen hin untersucht, die einen späteren Einsatz behindern könnten. Gehindert wird Scheffner an der Informationserhebung über die Arbeit der Bundeswehr in Deutschland.
Telefongespräche mit der Pressestelle transkribiert der Filmemacher in einen Verfremdungseffekt: Während Scheffner am Telefon seine Nachfragen stellt, erscheint die Absage der Pressestelle, nicht an seinem Filmprojekt mitzuwirken, als geschriebener Text im Bild. Letztlich begründet wird die Absage mit der Angst vor dem schlechten Licht, in dem die Armee erscheinen könnte, und wirft damit, so sichtbar wie Scheffner dieses Unbehagen macht, ein schlechtes Licht auf die nationalen Sicherheitsorgane.
Nach zwei Dritteln variiert der Film, der Übungsschauplätze in Deutschland erkundet und Erfahrungsberichte von Soldaten integriert, noch einmal sein Thema: Ein Mitglied der Militanten Gruppe, die sich wegen eines versuchten Anschlags auf Bundeswehrfahrzeuge in Brandenburg vor Gericht verantworten musste, wird als Freund des Filmemachers eingeführt. Gemeinsam beobachten beide Vögel an Brandenburger Seen und besuchen den Berliner Botanischen Garten, um dabei ungezwungen über die Feinbildproduktion im Dienste der deutschen Sicherheit zu sprechen. Das ist mitunter komisch und fügt sich zugleich in Scheffners radikalen, nur scheinbar harmlosen Ansatz, Krieg zu begreifen vor dem Hintergrund der Landschaft, in der er geprobt wird. (…)