tip Berlin - Heft April

Inschrift der Krieges: Philip Scheffner sucht in seinem Film nach Spuren des Afghanistan-Einsatzes im deutschen Frieden.
Michael Baute

"Der Tag des Spatzen" ist ein sonderbarer Film, der einfache Zuordnungen zum Dokumentarischen oder Essayistischen unterläuft. Der Regisseur Philip Scheffner, dessen "The Halfmoon Files" (2007) Tonaufnahmen aus der deutschen Kolonialgeschichte untersuchte, bezeichnet seinen Film als "politischen Naturfilm". Er handelt von der Anwesenheit deutscher Soldaten in Afghanistan und der Frage, wo und wie man in Deutschland Bilder von diesem Krieg machen kann.
Ausgangspunkt des Films sind zwei Zeitungsmeldungen aus dem Jahr 2005. In den Niederlanden war ein Spatz getötet worden, weil er den reibungslosen Ablauf einer TV-Show behinderte, was zu großer internationaler Resonanz führte, während am gleichen Tag in Afghanistan ein deutscher Soldat infolge eines Attentats ums Leben kam. Der Film verbindet diese beiden Nachrichten miteinander. Er verfolgt dazu verschiedene ornithologisch-militärische Spuren — und stößt auch auf Widerstände der Bundeswehr. Deren mangelnde Bereitschaft, Scheffners Projekt zu unterstützen, wird episodisch in einem mitlaufenden Making-of dokumentiert, das auch als eine ungefähre Skizze der gegenwärtigen politischen Landschaft und ihrer Fähigkeit zu Transparenz und Diskurs lesbar ist.
Scheffner arbeitet dabei visuell wie ein geduldig ausdauernder Naturfilmer. Er zeigt aus sicherer Entfernung und in aufgeräumt ruhigen digitalen Bildern Vögel in deutschen Kulturlandschaften. In diese Landschaften schreibt sich mit zunehmender Dauer – und verstärkt durch den Off-Kommentartext – eine politische Ambivalenz ein. Die Flusswindungen der Mosel ähneln den Gebirgszügen in Afghanistan und eignen sich daher besonders für Übungen von Piloten. Und auch die gesichtslosen Mehrzweckbauten, nächtlichen Unterführungen, Naturschutzgebiete, Militärflughäfen, Campingplätze und Kasernen, die der Film aufsucht, lassen nach und nach eine durch ihre Allgegenwart fast unsichtbar gewordene Prägung vom militärisch-industriellen Komplex erkennen. Ein einzelnes Bild von Deutschland als kriegsführende Nation entsteht dabei nicht, aber ein irritierendes Geflecht von politischen und ästhetischen Assoziationen. Sehenswert.